Der Name geht entweder auf lat. Curia (Rathaus) oder auf ein keltisches Wort zurück, was wahrscheinlicher ist. Chur Tourismus bewirbt Chur als älteste Stadt der Schweiz. Sie liegt an der verkehrsgünstigen Lage zwischen dem Rhein und mehreren Alpenpässen. Die Römer schufen 15 v. Chr. die Provinz Raetia. Am Ende der Antike drangen Germanen vor, Chur gehörte erst zum ostgotischen Reich und ab dem 6. Jh. zum Frankenreich. Als Otto I. das ostfränkische Reich neu ordnete, stattete er das Bistum Chur mit umfangreichen Rechten und Besitzungen aus. Chur wuchs und erhielt im 13. Jh. eine Stadtmauer. Nach dem Stadtbrand 1464 zogen deutschsprachige Handwerker zu; bald wurde in der Stadt Chur vor allem deutsch gesprochen und romanisch nur noch im sogenannten Welschdörfli. Chur war die Hauptstadt des 1367 gegründeten Gotteshausbundes, mit dem sich die Bürger gegen den Einfluss der Habsburger auf das Bistum Chur wandten. Zusammen mit dem Grauen Bund und dem Zehngerichtebund bildete der Gotteshausbund den Freistaat der Drei Bünde. Die Reformation setzte sich in der Stadt Chur durch, aber nicht in allen Tälern. Bei den Bündner Wirren während des Dreissigjährigen Kriegs (1618-48) kämpften Befürworter einer Allianz mit Habsburg gegen die Parteigänger von Frankreich und Venedig. 1798 gingen die alte Eidgenossenschaft und der ihr zugewandte Ort Drei Bünde unter. Rätien wurde ein Teil der Helvetischen Republik, bei der Mediation schuf Napoléon 1803 den gleichberechtigten Kanton Graubünden. Chur wuchs seit dem späten 19. Jahrhundert, als die Stadtbefestigung abgebrochen wurde, auf seine heutige Grösse heran. 1896 wurde Chur ans Netz der Rhätischen Bahn angeschlossen, der bünderischen Staatsbahn.
Auf dem Hof, einem Plateau über der Altstadt, steht die Kathedrale Mariä Himmelfahrt, die Bischofskirche. Im Inneren ist es ziemlich dunkel, der spätgotische Hochaltar glänzt umso mehr. Unterhalb des Hofs, auf einem zentralen Platz steht die Kirche St. Martin mit drei Glasfenstern, die Augusto Giacometti 1919 erstellte. Der Martinsbrunnen vor der Kirche stammt von 1716. Daneben findet sich ein detailgetreues Relief der Altstadt, mit dem nicht nur Blinde sich gut orientieren können. Es ist eine der schönsten und besterhaltenen Altstädte der Schweiz, wie ich finde.
Im Fontanapark, der beim Postplatz am westlichen Eingang der Altstadt liegt, finden sich viele Blumen in schön gepflegten Reihen vor einem barocken Herrschaftshaus. 1903 schuf der Zürcher Bildhauer Richard Kissling eine Statue für Benedikt Fontana (ca. 1450-99), die hier steht. Fontana war ein lokaler Adliger, bischöflicher Vogt und zuletzt Ministerialer des Gotteshausbundes im Oberhalbstein. Er fiel 1499 während des Schwabenkriegs in der Schlacht an der Calven, als er die Bündner und verbündete eidgenössische Truppen anführte, die gegen die Habsburger kämpften. Mit seinen letzten Worten: «…heute noch Bündner und die Bünde oder nimmermehr!» soll er die Kämpfer angespornt haben und diese schlugen ihre Gegner in die Flucht. Fontanas Heldentod wurde ab dem 16. Jahrhundert gewürdigt und Conradin von Moor erhob ihn mit seiner Bündnergeschichte in den 1870er-Jahren zum Nationalhelden. Die Verehrung zu den besten Zeiten ist mit derjenigen von Wilhelm Tell oder Arnold Winkelried vergleichbar. Und das Denkmal für ihn ähnelt nicht umsonst dem Winkelried-Denkmal in Stans: Kissling orientierte sich an diesem Werk seines früheren Meisters.
Im Rätischen Museum wird vieles zur Geschichte von Chur und dem Bündnerland präsentiert. Die Gliederung in die Dimensionen Archäologie, Macht und Politik, Arbeit und Brot sowie Glauben und Wissen ermöglicht neue Zusammenhänge zu erkennen. Doch unter dieser Aufteilung leidet die Vertiefung besonders interessanter Epochen, in denen zum Beispiel gerade das Zusammenspiel von Politik und Religion neu verhandelt wurde. Die aktuelle Jubiläumsausstellung zum 150-jährigen Bestehen kommt ziemlich postmodern daher: Für jede Jahreszahl wird ein Objekt präsentiert, das mehr oder weniger einen Bezug hat zur damaligen Zeit. Per QR-Code findet man im Web die näheren Informationen; leider wurde dafür auf fast jede Erklärung vor Ort verzichtet.
In einem Teil des Bischöflichem Schlosses oberhalb der Altstadt von Chur befindet sich das Domschatzmuseum, das im August 2020 eröffnet wurde. Im Erdgeschoss werden hinter einer goldenen Tür diverse Reliquien und liturgische Gegenstände dargeboten. Eine Etage tiefer wird ein Zyklus von Todesbildern aus dem Jahr 1543 ausgestellt. Braucht es dafür ein eigenes Museum mit soviel Gold? Vielleicht passt das gut zum Bistum Chur, dem lange der erzkatholischste der Schweizer Bischöfe vorstand.
Das Bündner Kunstmuseum besteht aus der alten Villa Planta beim Postplatz und dem 2016 eröffneten Erweiterungsbau, den Barozzi/Veiga aus Barcelona entworfen haben. Dort ist der barrierefreie Zugang und es findet sich viel Raum für die vielfältigen Sammlungen und zeitgenössische Kunst. Allerdings ist der neoklassizistische Altbau selbst schon ein Besuch wert, mit all den Säulen, Sphinxen und Malereien in der Kuppel. Das würde ich vom Neubau nicht behaupten, der ist funktional und wirkt kühl.
Sammlungen von Naturforschern bildeten den Grundstein des Naturalienkabinetts der Bündner Kantonsschule. 1872 kamen sie ins selbe Haus wie das Rätsche Museum, später in die Villa Planta des Kunstmuseums. Erst 1976 erhielt das Bündner Naturmuseum einen Neubau etwas ausserhalb der Altstadt. Auf drei Etagen wird Erd- und Naturgeschichte mit vielerlei Gegenständen und Erklärungen sehr gut vermittelt. Ausgestopfte Bären und andere Tiere dürfen nicht fehlen, das Museum bietet aber weit mehr und ist sehr kinderfreundlich eingerichtet.
Wer genug hat von der Stadt kann abheben mit Chur Bergbahnen. Zuerst fährt es sich bequem in einer grossen Gondelbahn. In wenigen Minuten erhebt sch der Blick über die Dächer der Altstadt und hinauf ins grüne Wald- und Bergland. Im Känzeli heisst es umsteigen in enge Viererkabinen. In gemächlichem Tempo führt die Strecke auf 1595 Meter über Meer. Auf dem Brambrüesch finden sich diverse Restaurants und Unterkünfte. Ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen, etwa zum berühmten Dreibündenstein, dem einzigen Ort, wo einst die drei Bünde aneinander grenzten.